Schuldenpaket: Woher das Geld wirklich kommt
Wie die Regierung Schulden macht und Anleihen verkauft – einfach erklärt
Viel und hitzig wurde über das Schuldenpaket debattiert. Eine Frage aber ist noch offen: Woher genau kommt das Geld eigentlich? Die kurze Antwort: über einen Umweg von der Zentralbank. Nicht von Blackrock, nicht von Versicherungen und nicht von Oma Erna. Die lange Antwort: Es ist kompliziert, deshalb hier eine einfache Erklärung!
Um ganz vorne anzufangen: Für das Geld des Bundes ist der Finanzminister zuständig. Aktuell noch Jörg Kukies, bald wohl sein Parteichef Lars Klingbeil. Wie viel Geld die Regierung einnimmt und wie viel sie ausgibt, wird Jahr für Jahr neu entschieden, wenn das Parlament den Haushalt beschließt. Wofür das Geld aus dem Schuldenpaket ausgegeben wird, kann man also genau noch gar nicht sagen. Für 2025 gibt es noch keinen Haushalt. Das wird eine der ersten Aufgaben für Schwarz-Rot!
Das Konto bei der Bundesbank
Die Einnahmen und Ausgaben laufen über ein Konto bei der Deutschen Bundesbank, die wiederum als Deutsche Zentralbank Teil der Europäischen Zentralbank ist. Die Bundesbank beschreibt sich selbst treffend als „Hausbank des Staates“. Wichtig: Das Konto darf – anders als beim persönlichen Girokonto – nicht länger als einen Tag überzogen werden. Stehen also mehr Ausgaben an als Geld auf dem Konto liegt und Steuereinnahmen eintrudeln, muss der Finanzminister das Konto anderweitig füllen. Und zwar: durch den Verkauf von Staatsanleihen.
Anders als häufig angenommen leiht sich der Staat beim Verkauf von Anleihen aber nicht das Geld seiner Bürger und nimmt auch keinen normalen Bankkredit auf. Im Detail läuft es so: Der Finanzminister verkauft Anleihen über die Deutsche Finanzagentur. Das ist eine GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, die ihm zu 100 Prozent gehört und explizit dafür geschaffen wurde, das „Schuldenmanagement des Bundes“ abzuwickeln. Die Finanzagentur verkauft die Anleihen üblicherweise per Auktion an eine Gruppe von 33 ausgewählten Geschäftsbanken – die sogenannte „Bietergruppe Bundesemission“. Nur diese von der Bundesbank ausgewählten Banken dürfen an der Auktion teilnehmen.
Welche Banken dazu gehören, ist öffentlich einsehbar. Dazu gehören die Deutsche Bank, die Commerzbank, die DekaBank, aber auch die BNP Paribas, J.P. Morgan, Morgan Stanley und die Goldman Sachs Bank. Voraussetzung ist nur, dass sie einen Sitz in der EU oder der Schweiz haben und im Jahr eine Mindestmenge an Anleihen kaufen. In anderen Ländern, etwa den USA, ist es auch üblich, die Banken der Bietergruppe zu verpflichten, bei jeder Auktion mitzubieten. In der EU sind die Regeln aber lockerer. Man kann sich wie eine hochexklusive Ebay-Auktion vorstellen. Das Finanzministerium verkauft über die Finanzagentur, die Banken geben Angebote ab. Und: die Höchstbietende gewinnt.

Danach werden die Anleihen in einem zentralen Register erfasst (das Bundesschuldbuch) und von der Clearstream AG, die zur Deutschen Börse gehört, an die jeweilige Bank verteilt. Davor muss die Bank, die die Auktion gewonnen hat, die Anleihe aber bezahlen. Wie das geht?
Am Ende steht die Zentralbank
Die Banken haben ein Konto bei der Zentralbank und überweisen ihr entsprechendes Zentralbankguthaben an Konto vom Finanzministerium. Die Regierung bekommt so neues Guthaben bei der Zentralbank, die Bank verliert ihres. Ein Konto geht hoch, ein anderes herunter. Dafür erhält die Bank im Gegenzug die Staatsanleihe und kassiert Jahr für Jahr Zinsen.
Das Verfahren bestätigt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags mit dem Titel „Verfahren und Wirkungen bei der Emission von Bundeswertpapieren“ (Aktenzeichen WD 4 - 3000 - 129/20). Dort heißt es:
„Die oben dargestellten Transaktionen wurden ausschließlich in Zentralbankgeld abgewickelt: Bundeswertpapiere wurden gegen Zentralbankgeld (Guthaben bei der Bundesbank) an die Mitglieder der Bietergruppe Bundesemissionen verkauft und dem Bund steht nach Abschluss des Verkaufs ein höherer Kontostand bei der Zentralbank zur Verfügung“.
Wichtig hierbei: Da nur Geschäftsbanken und der Staat Konten bei der Zentralbank führen, Privatpersonen aber nicht, können Privatpersonen an der Auktion gar nicht teilnehmen. Bäcker Lutze und Oma Erna dürfen und können also gar nicht mitbieten, selbst wenn sie wollten. Die Regierung leiht sich also nicht das Geld ihrer Bürger – das ist technisch eben gar nicht möglich –, sondern beschafft sich neues Zentralbankguthaben über den Umweg der Banken.
Woher bekommen die Banken die Guthaben vorher? Von der Zentralbank. Ähnlich wie alles Monopoly-Geld von der Monopoly-Bank kommt. Im Detail geht das so: Die Zentralbank versorgt die Banken zu einem von ihr festgelegten Zinssatz mit unbegrenzten Kreditlinien (die sogenannten „ ständigen Fazilitäten “). Darüber hinaus kann die Zentralbank den Banken mit ihren sogenannten „Offenmarktgeschäften “ Wertpapiere mit Zentralbankguthaben abkaufen. Durch den Versuch der EZB, die Wirtschaft zwischen 2012 und 2021 mit expansiver Geldpolitik und großangelegten Anleihekäufen anzukurbeln, schwimmen die Banken heute ohnehin in Zentralbankguthaben, brauchen also die Kreditlinien der Zentralbank kaum noch.
Hat die Regierung die Staatsanleihen erst einmal verkauft, können die Banken die Anleihen entweder selbst behalten, um die Zinsen einzustreichen, oder sie mit Preisaufschlag weiterverkaufen, zum Beispiel an Privatinvestoren (vielleicht auch an Bäcker Lutze oder Oma Erna), Rentenfonds, Versicherungen oder auch die EZB. Das ist für das Konto der Regierung aber egal, denn das wurde längst gefüllt.
Die Kernbotschaft: Das ganze Geld, das sich die Regierung über den Umweg von Staatsanleihen und Geschäftsbanken von der Zentralbank beschafft, entsteht aus dem Nichts – per Knopfdruck der Zentralbank. Und: Es erzeugt neue Einkommen im Privatsektor, wenn es ausgegeben wird. Es gilt das alte ökonomische Gesetz: Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen eines anderen. Wenn die Regierung Geld ausgibt, dann erhält der Empfänger der Zahlung neues Geld auf seinem Bankkonto. Wenn sie Schulden macht, also mehr ausgibt, als sie einnimmt, nimmt sie keinem Sparer Geld weg, sondern bringt Neues in den Umlauf – und sorgt für vollere Bankkonten in der Wirtschaft.
Technisch geht das so: Der Finanzminister überweist das Zentralbankguthaben an die Bank des Zahlungsempfängers. Sagen wir mal: Bäcker Lutze bekommt eine Förderung für den Umstieg auf Elektroöfen ausgezahlt. Da er selbst kein Konto bei der Zentralbank hat, ist seine Geschäftsbank, zum Beispiel die Sparkasse, zwischengeschaltet. Die bekommt Zentralbankguthaben vom Staat überweisen und schafft für Bäcker Lutze in gleicher Höhe neues Giralgeld, sprich: erhöht sein Bankguthaben. So schreibt es auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in seinem erwähnten Gutachten:
„In dem Moment allerdings, in dem der Bund das Guthaben auf seinem Zentralbankkonto zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet, zum Beispiel Straßenbau, Sozialleistungen etc., fließen diese Mittel auf Geschäftsbankkonten. Durch diese Transaktionen entsteht neues Buch- beziehungsweise Giralgeld, wodurch sich die Geldmenge erhöht.“
Was bleibt: Folgt man der Spur der Euros zurück, die die Regierung ausgibt, landet man letztlich immer bei der Zentralbank. Und neue Schulden bedeuten neue Bankguthaben für die Privatwirtschaft.
Aber was ist mit den Zinsen? Das habe ich in diesem Artikel erklärt, lest da gerne mal rein!
Die Welt wäre eine bessere, wenn doch Politiker:innen und Journalist:innen diese Zusammenhänge verstünden. 🙏 für den Artikel!
Ich habe den Artikel an zwei Freunde weitergeleitet. Wenn man an dem Kurs über moderne Geld von Maurice teilgenommen hat, kennt man das Thema schon.
Wahrscheinlich kennen 95 % der Bevölkerung dieses Thema nicht. Leider gehört zu dieser Gruppe auch ein Großteil der Journalisten, die tagtäglich Menschen als öffentlichen Lebens über diese Themen Interview.
Maurice sollte Sandra Maischberger, Karen Mioska, Maybrit Illner, Markus Lanz und Kollegen diesen Text in die persönliche Mailbox schicken, versehen mit dem Hinweis, etwaige Unwahrheiten ihrer Gesprächsteilnehmer nicht widerstandslos durchgehen zu lassen.